Stammsitz Rosdorf

Zum ersten Mal wird der Name Rosdorf – geschrieben Rostorp – 781 in einer Urkunde König Karls von Franken erwähnt, 19 Jahre, bevor er zum Kaiser gekrönt wurde. Der Name des urkundlich ersten Besitzers von Rosdorf war Hardrat. Hier die Abb. der „Geburts-Urkunde“ Rosdorfs:

Die Zuordnung besagter Urkunde zu Rosdorf, nahe der heutigen Universitätsstadt Göttingen, war lange umstritten. Wie in nahezu jedem Bereich der Wissenschaft, so auch in dem der Geschichtswissenschaft, beruht das Wissen auf Thesen und Theorien, und die Tatsache ob, wie lange und von wem diese anerkannt und verbreitet werden. Da durch obige königliche Urkunde das damalige ROSTORF durch königliche Missi (Königsboten im Rang von Grafen) von  Hardrat eingezogen wurde, um es Monate später dem Kloster Fulda, unter seinem zweiten Abt Baugulf, zu schenken. Da Kloster Fulda dem Erzbistum Mainz unterstand, eigneten sich spätere Erzbischöfe ertragreichen Besitz der ihnen unterstellten Klöster an, so auch das im Mittelalter reiche und namhafte Rosdorf. Mehrere Urkunden aus dem Mittelalter bestätigen, dass sich Rosdorf sowie sein steuerlich bedeutender Zehnter im Besitz der Erzbischöfe von Mainz befand, allerdings, wie üblich an Lehensnehmer verlehnt, so u.a. an die Herzöge von Sachsen, Könige des Heiligen Römischen Reichs, ja sogar nachweislich an einen ihrer Kaiser.

Als im Lauf des 18. und 19. Jahrhunderts, im Zusammenhang mit einer Rückbesinnung auf das Mittelalter (Stichwort Romantik), die vorhandenen Urkunden gesichtet, zusammengestellt und in Buchform – als Urkundenbücher – veröffentlicht wurden, kamen die jeweiligen Bearbeiter in die teils ungemütliche Lage, die teilweise nicht mehr bekannten mittelalterlichen Namen von Orten und Personen zuordnen zu müssen. Bei den ersten Bearbeitungen unterliefen teilweise grobe Fehler, die mittlerweile häufig erkannt und korrigiert wurden. Da die frühmittelalterlichen Urkunden bis ins 11. und 12. Jahrhundert häufig nur die Vornamen der Adligen enthalten, zudem konkrete Angaben zum Gau eines Kauf- oder Schenkguts fehlen, waren die frühen Bearbeiter gezwungen, Vermutungen anzustellen, statt auf nachgewiesenes Wissen zurückgreifen zu können. Hinzu kommt, dass Deutschland als Gebiet im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, bis zu dessen Ende im Jahr 1803, aus einem Flickenteppich mehrerer hundert Einzelstaaten und Besitztümern bestand. Damit einher gehend, entwickelte sich seit dem Mittelalter ein ausgeprägter Regionalpatriotismus innerhalb Deutschland. Dieser war maßgeblich dafür verantwortlich, dass diverse Bearbeiter der Urkundensammlungen – auch mangels ausreichender Nachschlag- und Recherchemöglichkeiten – sich regional, patriotisch entschieden, sprich unbekannte Ortsnamen in der Regel regional zuordneten, zumal um 1800 das Verständnis für den universellen, reichsweiten Charakter des Reichs verloren gegangen war, angesichts zahlloser Staaten und Städtchen. Obwohl die bedeutenden Klöster ebenso wie die frühen Bistümer von den Königen und Kaisern reichsweit mit Besitz beschenkt wurden – die wichtigste Quelle, wie umfangreich und weit verstreut Klosterbesitz im frühen Mittelalter also zwischen 800 bis 1000 im Deutschen Reich war, stellen alte Finde- und Urkundenverzeichnisse dar, die detailliert  unter der Rubrik: Findbuch
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, C 001u / Fürstabtei Corvey – Urkunden zusammengestellt wurden. Doch auch die Urkunden von Kloster Weissenburg im Elsass, von St. Gallen, der Reichenau und andere beweisen reichsweiten Besitz dieser frühen, bedeutenden Klöster im Reich. Doch ebenso, wie ein Herr Falke in Bezug auf Corvey im Eifer der Arbeit Zuflucht zu Fälschungen nahm, nahmen zahlreiche frühe Urkundenbearbeiter Zuflucht zu höchst phantasievollen Auslegungen von Stammbäumen und bei der Zuordnung von Ortsnamen zu ihrer Region. Manche dieser Fälschungen oder phantasievollen Zuordnungen wurden mittlerweile entdeckt und korrigiert. So auch in Bezug auf die Verortung von Rostorp aus der obigen Urkunde von 781.

Zunächst herrschte seit dem 18. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert die Ansicht vor, beim Rosdorf dieser Urkunde handele es sich um das Fuldaer Filialkloster Rastorf bzw. Ratestorf. Erst als einem aufmerksamen Bearbeiter der Urkunden, Herrn Stengel, im 20. Jahrhundert auffiel, dass eine andere Urkunde , ein Jahr jünger, also von 780, bewies, das besagtes Rastorf, das man bis dahin für das Rostorf unserer Urkunde von 781 gehalten hatte, nicht vom König, sondern von mehreren Grafen an Fulda geschenkt worden war. Dass zwei dieser Grafen einen verwandtschaftlichen Bezug zum Besitzer Rosdorfs und zu den später dort amtierenden Grafen aufweisen, wurde bisher nur teilweise von R. Wenskus erkannt, jedoch nie wissenschaftlich nachvollzogen und per schlüssiger Theorie der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Besagter Herr Stengel, ein eigentlich sehr honoriger, beflissener Geschichtswissenschaftler, befand sich, nachdem er den jahrhundertealten Fehler der falschen Zuordnung nachgewiesen hatte, in einer Zwickmühle. Urplötzlich musste er seinen kritisch lauernden Fachkollegen eine plausible, neue Theorie verkaufen. Bei seinem Bemühen unterlief Stengel ein weitverbreiteter Fehler unter hoch engagierten Wissenschaftlern: obwohl sie sich eine wunderschöne, insgesamt plausible Theorie ausdenken und im Fall der Geschichtswissenschaft mittels ihnen vorliegender Urkunden beweisen können und wollen, hakt es an einer oder zwei, drei winzigen Stellen. Um den investierten Arbeits- und Zeitaufwand nicht umsonst investiert zu haben, wird bei solchen Gelegenheiten gern mal etwas „gerade“ gemacht, das etwas eckig im Weg steht. So auch bei Stengels neuer, bis auf den heutigen Tag vielfach gültig anerkannter Theorie. Wäre da nicht in obiger Urkunde ein vermaledeiter Schönheitsfehler. Wie von jedem Laien zu erkennen, wurde, was im Mittelalter eine gern angewandte und verbreitete Methode war, mittels „Rasur“ (mit Hilfe einer scharfen Klinge) das an Buchstaben und Worten einer älteren Urkunde ausradiert, das störte, um den Inhalt im eigenen Interesse umzuformulieren, sprich zu fälschen. Mittelalterliche Mönche und Geistliche waren nicht nur begnadete Ersteller von Originalurkunden, sondern eben auch in der Zweit- und Drittverwertung der Urkunden – selbst der Papst ging da mit bestem Beispiel voran, indem er die Urkunde fälschen ließ, mit der er beweisen wollte, ihm habe schon immer ein großes Gebiet in Italien gehört. So kam der Papst, dank heute erkennbarer Fälschung zu seinem Kirchenstaat. – sprich gekonnte Fälscher, um Urkunden so abzuändern, dass sie zu den Begünstigten wurden etc. Bei der Urkunde von 781 wurde ebenfalls nachträglich Hand angelegt: man radierte, ehrlich gesagt handwerklich sehr schlecht, den Buchstaben r aus dem Namen von Hardrad, um das fehlende r durch ein schwungvolles l zu ersetzen. Auch die Übermalung gelang dem ungeschickten Fälscher nicht wirklich. Da er dunklere Tinte verwendete und das l zudem etwas ungelenk über das nur schlecht wegrasierte r malte, fällt dies plumpe Fälschung nun wirklich Jedem auf, der das Original betrachtet. Nun hatte Stengel den Vorteil auf seiner Seite, dass zu seiner Zeit eine originalgetreue Abbildung des Urkundenoriginals noch nicht existierte. Also konnte er munter drauflos schreiben und, obwohl er die kleine Fälschung nicht verschwieg, baute er um sie herum seine nicht minder heftige eigene Fälschung auf. Stengel behauptet in seinen Ausführungen, der Schreiber der Urkunde habe beim Schreiben einen Fehler gemacht, nämlich statt des l ein r geschrieben. Als er seinen Schreibfehler bemerkte, habe er versucht, mittels Rasur und dem Einflicken des l den Schaden zu beheben. Dumm nur, dass Edmund Ernst Stengel, ein überzeugter Nazi, in seinem Übereifer, die Dinge passend machen zu wollen, denn seine zweifelhafte Theorie basiert auf dem Namen Haldrad(us), sehr großzügig und nonchalant sich mal den anders geschriebenen Namen des einen Schenkers radebrechend zu Haldradus hinbog, das andere Mal so tat, als sei Haldrat mit Hardrat gleichzusetzen, sprich, Urkunden, die unzweideutig von Hardrat stammen, unter Haldrat vereinnamte. Heraus kam die inzwischen als falsch erwiesene Behauptung, mit dem Rostorf aus der Urkunde von 781 sei Roßdorf gemeint. Als braver hessischer Patriot kam es Stengel nicht in den Sinn, das Rosdorf der Urkunde außerhalb Hesssens zu verorten. Nachdem also Rasdorf ausfiel, musste ein Ersatz her. Da die beiden anderen Rosdörfer Hessens aus urkundlich klaren Ursachen ausfielen, entschied sich Regionalpatriot Stengel für Roßdorf.

Hätte Stengel doch nur etwas geschichtswissenschaftlich neutraler gearbeitet. Dann wäre bereits ihm aufgefallen, dass Ros- und Ross sich nicht nur durch einen lapidaren Buchstaben, ein zusätzliches s unterscheiden, sondern mit dem doppelten s eine völlig andere Bedeutung einhergeht: Roß seht für die mittelalterliche Bezeichnung für Pferde. Tatsächlich ergaben inzwischen durchgeführte archäologische Ausgrabungen in Roßdorf im Hessischen, dass dort tatsächlich zur Zeit Karl des Großen ein Gestüt existierte, gegründet von eben jenem Karl, da er für seine Reiter bei den andauernden Kriegen mit den widerspenstigen Sachsen nun mal ständig neue Pferde brauchte. Kein Historiker, nicht mal Stengel, hat je behauptet, die Mönche Fuldas hätten Pferde gezüchtet oder züchten lassen. Obwohl König Karl die Religion, der die Mönche dienten, auch und sehr gezielt als Waffe in seinen Kriegen gegen die damals noch „ungläubigen“ Sachsen einsetzte, stellten die Pferde für seine berittenen Soldaten eine völlig andere Waffe dar, die Mönche nicht zu handhaben und auszubilden wussten. Insofern wäre Karl ein Depp gewesen, hätte er einen entscheidend wichtigen „Rüstungsbetrieb“ seiner Zeit, ein Gestüt, das Pferde für seine Reiter züchtete, ausbildete und einritt, an Mönche verschenkt. Insofern macht es die nachgewiesene Vergangenheit Roßdorfs bereits unmöglich, in ihm das Rostorf unserer Urkunde zu sehen.

Hinzu kommt, dass in Rosdorf nahe Göttingen bereits 1874/75 Ausgrabungen stattfanden, bei denen ein Reihengräberfeld entdeckt wurde. Die ausgegrabenen Gegenstände und Knochen ergaben, dass die Toten dort zur Zeit der Sachsenkriege beigesetzt wurden, zwischen ca. 780 bis 800. Hinzu kommt, dass dieses Gräberfeld von Rosdorf eine Besonderheit gegenüber anderen aufweist: ein Teil der dort Begrabenen wurde umgehend nach der christlichen Bestattung ausgegraben, und Teile des Körpers wurden abgetrennt und verbrannt. Die verkohlten Gliedmaßen wurden bei der Leiche hastig wieder ergraben. Das Ganze deutet auf einen damaligen Sachverhalt, der gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen hatte. Abgesehen davon, dass Rosdorf im Jahr 781 zu den bereits von Karls Armee eroberten Gebieten in Sachsen gehörte, existierte die zwangsweise Christianisierung der heidnischen Sachsen. Gemäß deren alter Religion mussten ihre Verstorbenen verbrannt, statt wie bei den Christen in der Erde verscharrt zu werden. Insofern offenbaren die Rosdorfer Reihengräber den damaligen Zwiespalt der Rosdorfer um 781: offiziell, wegen der anwesenden Mönche und Soldaten mussten sie so tun, als befolgten sie die christlichen Regeln, also begruben die Einwohner tagsüber, unter den Augen der Franken ihre Toten wie befohlen in der Erde. Nachts kehrten sie zurück, scharrten ihr Toten hastig aus, trennten einen Arm oder ein Bein ab, das sie auf ein Feuer legten, um den Toten so gemäß ihrer Religion den Weg ins Jenseits zu ermöglichen. Vor dem Tagesanbruch mussten sie die verkohlten, nicht völlig verbrannten Gliedmaßen zurück ins Grab werfen und dieses zuscharren. Exakt dies geschah damals in Rosdorf über mehrere Jahre. Natürlich wurde dieses Vorgehen früher oder später von den Besatzern entdeckt und mit dem Tod geahndet. Also weitere, neue Tote. Da der Besitzer oder Herrscher über das damalige Rosdorf, Hardrat, dafür von den Franken verantwortlich gemacht wurde, sich nicht an die Befehle des Königs gehalten zu haben, musste auch er bestraft werden. Als vermutlich hohem Adligen konnte oder wollte man ihn nicht wegen der Vergehen seiner Leute töten, aber er musste bestraft werden. Folglich wurde ihm sein Besitz enteignet und als Teil der Strafe den vor Ort tätigen Mönchen bzw. deren Heimatkloster geschenkt.

Dass Mönche aus Fulda genau zu dieser Zeit die sog. Christianisierung und Missionierung Sachsen betrieben, ist nachgewiesen. Urkunden beweisen, dass ihnen um 800 großer Besitz geschenkt wurde, von Rosdorf bis über Northeim hinaus. Es sprechen somit die historischen Fakten sehr nachdrücklich dafür, dass das in Frage stehende Rosdorf der Urkunde Rosdorf bei Göttingen war. Hier existiert das Reihengrab, das beweist, wie verzweifelt die unterdrückten Sachsen versuchten, ihren alten Glauben zu bewahren. Das ergab einen triftigen Grund, aus Sicht Karls, seine Missi zu senden, Rosdorf einziehen zu lassen, um es sodann an Kloster Fulda zu schenken. Dass Fulda und später Mainz im Besitz Rosdorfs bzw. großen Besitzes dort war, ist urkundlich erwiesen. Insofern, solange keine plausiblere Theorie auftaucht, bin ich dezidiert der Meinung, dass sich die Urkunde auf Rosdorf bezieht, nur hierauf beziehen kann. Um es juristisch auszudrücken, angesichts der vorliegenden, nachgewiesenen Fakten, ist der Beweis erbracht.

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